Hallo, mein Name ist Katharina Jourdan. Ich studiere seit 2008 Grafikdesign an der HAWK in Hildesheim. Zur Zeit befinde ich mich in meinem Abschlusssemester. Hierfür habe ich mir vorgenommen Design zu gesellschaftspolitischen Themen zu schaffen. Als Mitglied von "Design and People" werde ich 4 Wochen lang mehrere indische Hilfsorganisationen besuchen, um ihre Anforderungen im gestalterischen Bereich auszuloten. Anschließend werde ich diese Anforderungen in meiner Thesis umsetzen. In diesem Blog dokumentiere ich meine Zeit in Indien. Los geht es am 15.08.2011

Indien

Auf meinen Reisen habe ich viele Länder kennen gelernt, darunter Indien. Es hat eine große Faszination in mir geweckt, die mich immer wieder zurückkehren lässt, um dieses bizarre Land näher kennenzulernen. Es ist eine beständige Inspiration für mich. Beispielsweise habe ich im Frühjahr/Sommer 2010 ein Praktikum in der Agentur Milagro Interactive Technologies in Chandigarh gemacht. So konnte ich den Arbeitsalttag einer indischen Agentur kennenlernen.

Indien ist alles. Indien hat 1,2 Milliarden Einwohner, somit auch 1,2 Milliarden Vorstellungen, Wünsche und Träume. Es ist ein multiethnischer Staat, der, gemessen an seiner Bevölkerung, die größte Demokratie der Erde bildet.

Indien ist ein Schwellenland mit all den dazugehörigen Problemen und Missständen. Hier einige Beispiele: Korruption auf politischer Ebene, Rebellengruppen im Nordosten, Grenzstreitigkeiten mit Pakistan und China, tibetische Flüchtlinge, ein inoffiziell weiterlebendes Kastenwesen. Das Kastenwesen wurde erst während der Kolonialisierung von den Engländern tief in das Gedankengut der indischen Bevölkerung verankert. Seitdem prägt es das Leben der Menschen mehr denn je. Obwohl der indische Staat das Kastensystem offiziell nicht anerkennt, verwendet er es als Einstufungskriterium für Nachteilsausgleiche. Die positive Diskriminierung, die seit einigen Jahren von der Regierung praktiziert wird, soll sicherstellen, dass Adivasi (Nachfahren indischer Ureinwohner) und Dalits (Unberührbare) in alle Bereiche der Gesellschaft integriert werden. Neben den kleinen Erfolgen hat die positive Diskriminierung dazu geführt, dass sich das Kastendenken neu in der Köpfen der Menschen gefestigt hat und ein Klassenkampf entstanden ist. 16 Prozent der Bevölkerung gehören den niederen Kasten an oder sind Dalits. 75 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Die dazu relativ kleine Mittel- und Oberschicht umfasst 300 Milionen Menschen.

Ein Grund für die große Armut ist die wirtschaftliche Lage. Die Wirtschaft wird durch die ungenügende Stromversorgung behindert. Strom wird in Indien hautsächlich durch Wasser- und Atomkraft gewonnen. Der Bau von Atomkraftwerken geht oft mit der Enteignung von Land und der Zerstörung von Biodiversität einher. Im Bundesstaat Maharashtra sollen 40 000 Menschen zwangsumgesiedelt werden, um einem Atomkraftwerk des französischen Kernkraftkonzerns Areva Platz zu machen. [1] Auch der staatseigene russische Atomkonzern Rosatom plant zwölf neue Atomkraftwerke in Indien. Der Bau soll zwischen 2012 und 2017 im Auftrag der indischen Regierung realisiert werden. [2]

Die Wahlbeteiligung in Indien liegt bei gut 60 Prozent. Speziell die arme Bevölkerung geht wählen. 2009 wurde die Kongresspartei in ihrem Amt bestätigt. Zuvor hatte sie ein Gesetz zu Schulspeisung und 100-Tage-Beschäftigungsgarantie verabschiedet. [3]

Der Subkontinent ist auch deshalb ein Schwellenland, weil sich die Lebenserwartung seit 1950 von 32 auf heute 68 Jahre verdoppelt hat. [3] Einige wenige Universitäten haben sich zu internationaler Bedeutung entwickelt, während immer noch 40% der Bevölkerung Analphabeten sind.

Indien ist ein stark religiöses Land. Glaube und Aberglaube sind stärker als rationales Denken. Die religiöse Mehrheit stellen die Hindus. Sie sind mit 80 Prozent vertreten, dazu kommen Muslime mit 13,5 Prozent, Christen mit 2,3 Prozent, 1,9 Prozent Sikhs und 0,6 Prozent Buddisten. [4]

Wie gesagt, Indien ist alles. Für mich ist es ein Erlebnis, das niemals vollständig in Worte gefasst werden kann.

Quellen:
[1] http://www.bewegung.taz.de/organisationen/lmd/blogeintrag/dreitausend-sicherheitsmaengel--im-westindischen-jaitapur-soll-mitten-im-erdbebengebiet-das-weltgroesste-akw-entstehen
[2] http://www.rp-online.de/politik/ausland/Zwoelf-neue-Atomkraftwerke-in-Indien_aid_831281.html
[3] Edition Le Monde diplomatique, Indien, Die barfüßige Nation, 2010 No.7, Seite 6
[4] http://www.digfreiburg.de

Design and People

Design and People ist eine Netzwerk von Gestaltern aus aller Welt, das sich für eine bessere Welt engagieren möchte. Wir arbeiten für Menschen, Organisationen und Stiftungen im Bereich Bildung, Friedensarbeit und Naturschutz.


„Design and People lotet aus, in welcher Form sich Design einmischen kann, um einen Beitrag zu den aktuellen Bestrebungen zu leisten, das Leben der Menschen zu verbessern, die durch Krieg, Benachteiligung und politische oder umweltbedingte Zustände eingeschränkt sind. Wir vernetzen Grafik-, Industriedesigner, Architekten und Journalisten und ermutigen sie, ihre Erfahrungen und Fähigkeiten für soziale und humanitäre Projekte einzusetzen. Unsere Mission: Design für Menschen in Not."

Text: Sethu Das, Übersetztung: Katharina Jourdan

Hier geht es zur offiziellen Seit des Netzwerkes: www.designandpeople.org

New Delhi

Los geht meine Reise in der indischen Hauptstadt. Gemeinsam mit Delhi zählt New Delhi 17 Millionen Einwohner, damit ist es nach Mumbai die zweitgrößte Stadt des Landes. Die Metropole Delhi ist Sitz der Regierung.

Swaraj Pheet Trust

In New Delhi lerne ich die Stiftung Swaraj Peeth kennen, die sich für die Stärkung der Demokratie in Indien einsetzt, indem sie Friedensarbeit leistet. Ich möchte mich mit den beiden Gründern Rajiv Vora und Dr. Niru Vora treffen, um die Aktivitäten der Stiftung mitzuerleben und ihre Bedürfnisse im Bereich des Grafikdesigns zu verstehen. Anschließend werde ich die benötigten Printdaten und eine Webseite in enger Zusammenarbeit mit der Stiftung gestalten.

Swaraj
Das Hindiwort "Swaraj" wird mit "Freiheit" übersetzt. Allerdings haben die Inder traditionell ein anderes Verständnis von Freiheit als Menschen, die in westlichen Nationen sozialisiert sind. Während es bei uns darum geht, die Freiheit zu haben alles zu tun oder zu lassen, was immer wir gerade möchten, ist in Indien eine Freiheit von inneren und äußeren Zwängen ( z. B.: Begierde oder Unterordnung in das Kastenwesen) gemeint. Daher wird der Begriff auch mit "Selbstkontrolle" oder "Selbstbestimmung" übersetzt.

Peeth
Im Hindi heißt "Peeth" "Samen der Wissenschaft" und wird in etwa gleichbedeutend wie "wissenschaftliches Institut" verwendet.


„Die Swaraj Peeth Stiftung wurde 1992 als eingetragene, gemeinnützige und private Stiftung mit Sitz in Delhi ins Leben gerufen. Die Swaraj Peeth Stiftung ist ein Zentrum für Gewaltlosigkeit und Frieden, die für Mahatma Gandhis Vision von Swaraj (Selbstkontrolle oder Selbstbestimmung) arbeitet. Die Stiftung bildet eine Gemeinschaft, basierend auf gewaltfreier sozialer Kraft, dem sogenannten Gandhi Shanti Sena, organisiert öffentliche Dialoge und bietet Seminare zum Thema gewaltfreies Handeln an. Sie möchte größere Aufmerksamkeit für Swaraj in allen Lebensbereichen erreichen und so grundlegend die Demokratie in Indien fördern.

Text: Niru Vora, Übersetztung: Katharina Jourdan

15. August 2011

Am Unabhängigkeitstag komme ich an. Heute vor 65 Jahren erlangte Indien die Unabhängigkeit vom britischen Empire. Mein erster Tag bestand aus Quartier beziehen und dem Organisieren der Simcard fürs indische Handy, der Bustickets und einem Treffen mit Niru ji und Rajiv ji von Swaraj Peeth morgen zum Mittagessen. Ich wohne diese Woche im tibetischen Flüchtlingscamp Majnu Ka Tila, das ist ein von Tibetern betriebenen Gästehaus. Befände sich dieses Viertel in New York würde es "Little Tibet" heißen. Es gibt eine tibetische Schule, eine tibetisches Krankenhaus und viele tibetische Läden, aus denen die Stimme des Dalai Lama dröhnt. Selbst wenn der Ladenbesitzer nicht da ist, wird seine Heiligkeit ausgestrahlt. Die Tibeter haben sich hier für lange Zeit eingerichtet.

Die einstündige Taxifahrt führte mich vorbei am für den Feiertag in den Farben der Flagge geschmückten Militärgebäude, dem India Gate, dem Red Fort und bedeutenden hinduistischen Tempeln. In einem Viertel standen Väter mit ihren Kindern auf den Flachdächern und ließen ungefähr 50 Drachen steigen. Ein wunderschöner Anblick. Ich empfinde eine Mischung aus angenehmer Vertrautheit und überraschender Andersartigkeit.


16. August 2011

Der Sozialaktivist Anna Hazare wurde mit vier anderen wichtigen Persönlichkeiten während der Proteste gegen Korruption in Delhi von der Polizei verhaftet. Da dies die Demonstrationen noch weiter entfachte, wurde mein Treffen mit dem Swaraj Peeth Trust erstmal verschoben.

Anna (großer Bruder) ist in Indien für seinen Kampf gegen Korruption sehr populär und besonders unter der sonst wenig politischen Mittelschicht beliebt. Durch einen Hungerstreik, der ein oft genutztes Mittel im Kampf aller nichtstaatlichen Interessengruppen ist, konnte er die Regierung Anfang des Jahres zwingen bis zum 15. August 2011, dem Unabhängigkeitstag, ein Anti-Korruptionsgesetz auszuarbeiten und vom Parlament verabschieden zu lassen. In Indien ist sowohl die Politik als auch die Wirtschaft äußerst korrupt. Dem Bürgerrechtsaktivisten schwebt eine unabhängige Behörde vor, die Fälle von Korruptionsverdacht untersuchen kann. Nach vier Tagen lenkte die Regierung ein und der 74-Jährige beendete seinen Hungerstreik. Die Kampagne, die er als »zweite Bewegung für Indiens Unabhängigkeit« bezeichnet, wurde jedoch bis heute fortgesetzt. Zentrum der Proteste ist der Jantar-Mantar-Park im Zentrum Neu Delhis. Hier wurden im Laufe des heutigen Tages mehr als 1000 Demonstranten vorübergehend verhaftet. Ein Anti-Korruptionsgesetz wurde nicht verabschiedet. Anna, was so viel wie großer Bruder bedeutet, kündigte einen erneuten Hungerstreik an. Die Polizei verbot Hazare den Park zu betreten und empfahl ihm, sein Haus nicht zu verlassen. Als er dies nicht einhielt, wurde er am Morgen verhaftet.

Wenn ich die Hindustan Times Ausgabe vom 16. August richtig verstanden habe, beschuldigt man nun absurderweise ihn, von Kopf bis Fuß korrupt zu sein und Justice PB Sawant sagt, dass er das ganze Geheule und Weinen der Menschen darüber nicht verstehen kann.

mehr Infos z.B:
http://www.indienaktuell.de/magazin/anti-korruptions-aktivist-anna-hazare-in-indien-in-haft-genommen

17. August 2011

Anna Hazare und die anderen Teammitglieder wurden noch am Abend des 16. August freigelassen. Daraufhin verabredete ich erneut ein Treffen mit den Gründern der Swaraj Peeth Stiftung. Pünktlich erreichte ich heute um die Mittagszeit das India International Center, genauer gesagt die Annexe Dinning Hall. Ein sehr angenehmes Restaurant, in dem sich Geschäftsleute zum Essen treffen und ältere Frauen der Mittelschicht bei einer Tasse Tee plaudern. Durch getönte Scheiben sah ich auf den Lodi Park herunter. Das tat ich zuerst bei einem Glas Wasser, dann bei einem Glas Saft und schließlich bei einer Tasse Tee. Das Ehepaar Niru und Rajiv Vora ließ auf sich warten. Schuld waren die Straßen, in denen kein Durchkommen war. Durch die Demonstrationen sind im Zentrum außerdem einige Straßen gesperrt.

Später teilten sie mir ihre Sicht der aktuellen Situation mit. Sie sind zwar mit dem Team um Anna Hazare befreundet, aber nicht mit deren Art des Kampfes einverstanden. Hazares Bewegung möchte erzwingen, dass das von ihnen ausgearbeitete Jan Lokpal Gesetz vom Parlament beschlossen wird. Das Problem dabei ist, dass es nicht Aufgabe eines Teams aus Bürgerrechtsaktivisten sein kann, ein Gesetz auszuarbeiten und es ohne politische Diskussion und mit dem Mittel der Erpressung von der Regierung absegnen lassen zu wollen. Das lässt sich für Niru ji und Rajiv ji nicht mit den Prinzipien von Demokratie und Gewaltfreiheit vereinen. Weiter befürchten sie, dass so bald jegliche Art von Interessengruppen auf die Idee kommen wird, den Staat durch Hungerstreiks zu erpressen.

Auf der anderen Seite "arbeitet" die Regierung seit 1968 an einem Gesetzesentwurf, dem sogenannte Lokpal Bill, der in 40 Jahren keine konkrete Gestalt angenommen hat. Die indische Politik und Wirtschaft ist so tief in der Korruption verwurzelt, dass es für Niru und Rajiv darum gehen muss die Strukturen grundlegend zu unterbrechen. Rajiv erzählte mir, dass der Wahlkampf in Indien durch enorme Spendengelder der großen Konzerne finanziert wird. Später wird dann die Partei immer zu Gunsten der Sponsoren entscheiden. Wie bereits oben erwähnt, verkauft die Regierung häufig Land an Konzerne, das zuvor Bauern über Generationen bewirtschaftet haben. Dabei verstösst die Regierung noch nicht mal gegen ein Gesetz. Aus der Kolonialzeit stammt ein Gesetzt, dass die Regierung berechtigt Land für öffentliche und private Projekte zu enteignen. Es muss noch nicht mal unbedingt Schmiergeld gezahlt werden, da dies schon in Spendenform für dem Wahlkampf geschehen ist. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Bau einer Produktionsstätte für Tata Motors in Westbengalen. Um diese Machenschaften zu durchbrechen, müsste die  Rechtslage grundlegend geändert werden.

Auf der Seite der Taz finden Sie einen ausführlichen Artikel zum Thema Anna Hazare:
http://www.taz.de/!76412/>

18. August 2011

Um ein besseres Verständnis von Gandhis Leben und Arbeiten zu bekommen, besuche ich heute das Gandhi Smriti. So heißt das Gebäude, in dem sich das Multimedia Museum "Eternal Gandhi" befindet. Es war die letzte Wohnstätte Gandhis, bevor er im dahinter liegenden Garten von einem Attentäter, einem nationalistischen Hindu erschossen wurde.

Das Gebäude zeigt neben dem original eingerichteten Wohnbereich Gandhis und den üblichen bebilderten Schautafeln mit Texten über sein Leben, kreativ und eingängig digital gestaltete Museumsräume. Traditionelle Materialen und Handwerkskunst, wie Lehm und bestickte Stoffe werden kombiniert mit Bildschirmen und LED. Dadurch werden Gandhis Bestrebungen und Visionen veranschaulicht und seine Lehren erfahrbar gemacht. Somit ist das Museum ganz in Sinne des Sozialaktivisten gestaltet, der konkrete Taten stets großen Worten vorgezogen hat.

Mit am besten gefallen hat mir die "Timeline". Es handelte sich um einen Bildschirm an der Wand, an dem die Jahreszahlen von Gandhis Lebenslauf notiert waren. Schob man den Bildschirm zur nächsten Jahreszahl, erschien ein Bild oder eine Illustration, die seine wichtigsten Ereignisse des betreffenden Jahres bebilderten. Außerdem beeindruckten mich wunderschön bestickte Wandteppiche, die die Gemeinsamkeiten aller Religionen zeigen und von Grundschülern gezeichnete animierte Bilder.

Offizielle Webseite des Museums:
www.eternalgandhi.org

Verantwortlich für das Ausstellungskonzept, das mich sehr angesprochen hat, ist die Sacred World Foundation. www.sacredworld.com

Die große Seele Indiens

Im folgenden fasse ich Gandhis Lebens kurz zusammen. Mohandas Karamchand Gandhi wurde 1869 im ländlichen Indien geboren. Später wurde er Mahatma Gandhi genannt, was "große Seele Gandhi" bedeutet. Bereits im Alter von 13 Jahren wurde er durch seine Familie mit Kasturba Makharji vermählt. Selbst Opfer kritisierte er später die Kinderheirat, eine Problematik, die bis heute nicht vollständig überwunden wurde. Das Ehepaar bekam 5 Söhne, eine seiner Enkeltöchter ist Indira Gandhi, die 1966 als Vorsitzende der Kongresspartei Premierministerin wurde.

Mohandas Karamchand Gandhi studierte Jura in London und arbeitete in Südafrika als Anwalt gegen die Rassendiskriminierung. Durch das von ihm entwickelte Konzept des gewaltfreien Widerstandes, wurde er zum politischen und geistigen Führer der indischen Unabhängigkeitsbewegung. Dieses Konzept wird unter anderem im Hind Swaraj erläutert, einem der Bücher, die Gandhi schrieb. Er machte sich für die Integration der Dalits in die Gesellschaft und die Gleichstellung der Frauen stark. Eine seiner wichtigsten Kampagnen war der Salzmarsch. Gandhi rief zu zivilem Ungehorsam auf, um dem britischen Salz-Monopol  ein Ende zu setzen. Salz, ein bedeutender Rohstoff Indiens durfte nur von der Krone hergestellt und verkauft werden. Gandhi wurde während seiner friedlichen Demonstrationen mehrfach von den Briten verhaftet und saß sowohl in Südafrika als auch in Indien im Gefängnis.

Nach langem Bemühen der Unabhängigkeitsbewegung löste sich Indien 1947 von der britischen Kolonialherrschaft. Es kam zur Teilung des Subkontinents in Pakistan, Bangladesh und Indien. 20 Millionen Menschen wurden vertrieben, eine Million Menschen wurden auf Grund ihres Glaubens getötet. Gandhi sprach sich für gleiche Rechte zwischen Hindus und Moslems aus und propagierte die Meinung, dass letztendlich alle monotheistischen Religionen an ein und denselben Gott glauben. Damit machte er sich die nationalistischen Hindus zu Feinden und wurde nur ein Jahr nach der Unabhängigkeit ermordet. Zu diesem Zeitpunkt war Gandhi für den Friedensnobelpreis nominiert.

Bis heute wird die "große Seele" in Indien verehrt und sein Denken lässt sich im sozialen wie politischen Leben wiederfinden. Begriffe, die eng mit seinen Lehren verbunden sind, sind:

Ahimsa, die Gewaltlosigkeit
Satyagrah, das Festhalten an der Wahrheit
Swaraj, Selbstbestimmung (siehe oben)

19. August 2011

Mein heutiges Treffen mit Swaraj Peeth wurde abgesagt. So fuhr ich mit der Metro zum India Gate, dem Ort, an dem sich Delhis Bewohner die letzten Tage trafen, um für mehr Demokratie und gegen Korruption zu protestieren. Ich sprach mit Studenten, die ihren Unmut zum Ausdruck bringen wollten. Was die Studenten am meisten aufbrachte, sind die "dummen Lügen" der Regierung. Heute konnte man in der Zeitung lesen, dass die Versorgung durch Essen, das von Anwohnern an die Demonstranten in den letzten Tagen ausgeteilt wurde, von amerikanischen Geldern finanziert werde. Der Sprecher von Regierungsoberhaupt Manmohan Singh behauptet, die Steuerung von ausländischer Hand sehe man darin, dass die USA zum erstenmal über ein indisches Ereignis in ihren Nachrichten berichten würden.

Im Fernsehen erinnert der Megastar Amitabh Bachchan (ehemaliger Moderator des indischen "Wer wird Millionär?") dass es in diesem Land gestattet ist, friedlich zu demonstrieren. Währenddessen erzählen mir die Studenten, dass die Polizisten versuchen, sie aus dem Park um das India Gate zu vertreiben, wenn sie indische Flaggen schwenken und dabei rufen: "Lang lebe Indien!". Die Lage ist angespannt. Die Studenten erzählen von ständig steigenden Preisen für Lebensmittel und Studiengebühren. Laut den Architekturstudenten ist alles so teuer, dass man sich nach dem Studium keine Hochzeit mehr leisten kann. Sie erzählen mir ärgerlich von immer reicher werdenden Beamten und den vielen hungernden Menschen, die sie täglich auf dem Weg in die Uni sehen. Ich wünsche ihnen von Herzen, dass ihre Stimmen gehört werden.


"Während einer Umfrage zufolge die Einkommen in der Industrie um durchschnittlich 6,6 Prozent steigen und in anderen Wirtschaftsbereichen sogar eher sanken, verdoppelt sich die Infaltionsrate innerhalb eines Jahres auf 10 Prozent im Februar 2010. Und der Anstieg der Lebensmittelpreise ist mit 18 Prozent noch höher."

Jayati Ghosh, die verdeckte Finanzkrise, Le Monde diplomatique, Edition Nr. 7

Am Abend bin ich zum Ramlila Maidan (Ramlila Platz) gefahren. Hier hatten sich tausende Korruptionsgegner um Anna Hazare versammelt. Nachdem die Polizei den "großen Bruder" noch am Montag wieder auf freien Fuß setzen wollte, entschied er sich, im Gefängnis zu fasten, bis er von der Polizei die Erlaubnis erhalten würde, dies öffentlich fortzusetzen. Für mein europäisches Rechtsverständnis  mutet es seltsam an, dass sich eine Person frei entscheiden kann länger im Gefängnis zu bleiben. In Indien ist das anders. Heute nun gestattete ihm die Polizei seinen Hungerstreik 15 Tage weiterzuführen. Eine riesige Menschenmasse begleitete Anna am Nachmittag vom Tihar Gefängnis zum Ramlila Maidan. Dabei versteht es Anna geschickt, seine Nähe zu seinem Vorbild Mahatma Gandhi zum Ausdruck zu bringen. Auf seinem Weg legte er Blumen an Gandhis Denkmal am Rajghat nieder. Ich sah hunderte Fernsehwagen. Das Massenspektakel wurde von jedem Fernsehsender übertragen. Ein besseren Gefallen hätte ihm die Kongresspartei um Manmohan Singh nicht machen können. In Interviews im Fernsehen versuchen Sprecher der Regierung verzweifelt darauf hinzuweisen, dass sich Anna Hazare nicht an demokratische Spielregeln hält. Allerdings schreien die Moderatoren die Regierungssprecher unaufhörlich an, so dass man nicht beurteilen kann, ob sie etwas vernünftiges sagen oder nicht. Das scheint der Weg der Sender zu sein, ihre Unterstützung für die Anti-Korruptionbewegung zu zeigen.

Times of India, 19.8.2011

21. August 2011

Über den Platz schallt der neuste Hindisong. Den Refrain, bestehend aus dem Wort Lokpal bill (Anti-Korruptionsgesetz), singen unzählige Stimmen mit. Tausende Menschen sind auch heute wieder zum Panlila Ground gekommen, um ihren Unmut über die lähmende Korruption zu demonstrieren. Es herrscht eine freudige, hoffnungsvolle Stimmung. Überall um den eingezäunten Platz, auf dem sonst Kulturveranstaltungen stattfinden, wird Essen an die Demonstranten verteilt. Von Lastwagen werden Wasserflaschen weitergereicht. Es sind alle gekommen, Moslems, Hindus, Familien mit kleinen Kindern, Studenten, Rikshafahrer, Büroangestellte, Chai Walas... Ein paar Reiche mit Sonnenbrille und Schweißtuch bemühen sich ihre Berührungsängste zu überwinden. Es ist ein heißer Tag.

Studenten übersetzten mir die Rufe der Menge. "Democracy should be promoted in India!" und "Democracy last forever!" Immer wieder skandieren die Menschenmassen "Vande Mataram!" ein urindischer Ausdruck, der sich nicht einfach ins Englische/Deutsche übersetzen lässt.

Annas heisere Stimme ertönt durch die Lautsprecher. Meist hält sich der große Bruder jedoch in einem Zelt im hinteren Teil der Bühne auf und überlässt anderen das Wort.

Mir kommen angesichts der Tatsache, dass Tausende von Inder in einer Reihe stehen und geduldig warten, um auf den Platz gelassen zu werden, die Tränen. Es gibt kein Gedrängel und kein Geschubse, sonst ein Ding der Unmöglichkeit. Um auf den Platz gelassen werden muss man durch den üblichen Securitycheck: Taschenkontrollen u.s.w., die es in Indien auch in Bahnhöfen und Einkaufshäusern gibt. Ansonsten hält sich die Polizei diskret im Hintergrund.


Eine 21 -jährige Studentin erzählt mir euphorisch, dass sie noch nie so viel Solidarität unter den Bürgern Delhis spüren konnte. Seit Gandhis Unabhängigkeitsbewegung haben sich noch nie so viele Menschen im ganzen Land friedlich für eine gesellschaftspolitische Sache stark gemacht. Dieses Wochenende gab es in allen großen Städten Indiens Anti-Korruptionsdemonstrationen. Die Studentin ist begeistert von der Disziplin, die die Demonstranten an den Tag legen. Sie zeigt auf Müllcontainer und sagt: "Schau, sie werfen den Müll in den Container und nicht daneben!" Schweiß und Glückstränen lassen sich in ihrem Gesicht nicht unterscheiden. Etwas, was auch mein Herz höher schlagen lässt. Nur zu gut kann ich mich erinnern, dass ich meinen Arbeitskollegen 3 Monate lang vergeblich in jeder Mittagspause gesagt habe, dass nicht der Park, sondern der Mülleimer für den Müll da ist.


Die Stimmung ist überwältigend. All diese Menschen hier teilen die Hoffnung auf ein besseres Indien ohne Korruption. Möge ihre Hoffnung wahr werden! All diese Bürger haben es verdient, in einem Land zu leben, in dem der soziale und wirtschaftliche Aufschwung nicht durch Korruption verhindert wird. Für ein Indien ohne Korruption!

Chandigarh

Chandigarh ist eine Planstadt mit über einer Million Einwohner. Mit der Gründung Pakistans 1947 verlor der indische Bundesstaat Punjab seine Hauptstadt. Der französisch-schweizerische Architekt Le Corbusier wurde beauftragt, eine neue Hauptstadt zu gestalten. Im Jahre 1952 begann man das Experiment Chandigarh. Die Pläne von Le Corbusier beinhalten 29 Sektoren, die in einem Raster angelegt sind. Die Mehrheit der Punjabi sind Sikh. Punjab weist das größte pro Kopf Einkommen Indiens aiuf. Ich kenne die Stadt gut, da ich 2010 ein dreimonatiges Praktikum bei der Design Agentur Milagro Interaktive Technologies absolviert habe.

22. - 25. August 2011

Am Montag Morgen bin ich mit dem Zug in die 270 km nördlich gelegene Stadt Chandigarh gefahren. Auch hier treffe ich auf Anna Hazares Anhänger. Auf der Motorriksha, die mich in die Innenstadt bringt, klebt ein Plakat, das den "großen Bruder" zeigt. Abends während des Berufsverkehrs verstopfen die Demonstranten zusätzlich die Straßen. Die Nachrichten melden einen sich rapide verschlechternden Gesundheitszustand des Hungerstreikenden. Am Dienstag Abend kommt es zu ersten Gesprächen zwischen der Regierung und dem Anna Team. Die Meinungen gehen aber zu stark auseinander, als das eine Einigung absehbar wäre.

Capitol Complex Chandigarh

In Chandigarh besuche ich meine ehemaligen Arbeitskollegen. Von März bis Mai 2010 war ich bei Milagro Interactive Technologie als Grafikdesignerin tätig. Den Blog zu meinem Praktikum finden Sie unter folgendem Link: Praktikum bei Milagro

Ich wohne bei meiner Freundin Ravinder, die kürzlich geheiratet hat. Es ist schön, ihre Familie näher kennenzulernen.

Dharamshala

Die 19.000 Einwohner zählende Stadt liegt auf 1830 Metern am Fuß des höchsten Gebirges der Welt. Auf Grund der Annektierung Tibets durch China ist Dharamshala Sitz der tibetischen Exilregierung geworden. Seit 1959 findet der derzeitige Dalai Lama in in der indischen Himalajastadt Zuflucht. Eine ständig steigende Zahl von Exil-Tibetern leben zur Zeit in der Umgebung. So findet man auch einige tibetische Einrichtungen und Bauwerke in der Stadt. Ich treffe dort Mitglieder der Organisation "Friends of Tibet".

Friends of Tibet

"Friends of Tibet is a people's movement to keep alive the issue of Tibet through direct action. Our activities are aimed at ending China's occupation of Tibet and the suffering of the Tibetan people. Friends of Tibet supports the continued struggle of the Tibetan people for independence."

Text: "Friends of Tibet"

Die Organisation Friends of Tibet wurde von Sethu Das im Jahr 1999 gegründet. Während eines Besuches in Dharamshala spürte er das Bedürfnis, sich für die Exil-Tibeter zu engagieren. Ihm geht es darum mehr Aufmerksamkeit für die Vertreibung der Tibeter durch die Chinesen zu erlangen. Die seit 1949 anhaltende Annektierung Tibets ist nur noch sehr selten Thema öffentlicher Diskussionen oder der Medien. Für die zu tausende vertrieben Tibeter ist es jedoch täglich gelebte Realität. Für die in Tibet verbleibenden Einwohner ist das Leben geprägt von täglicher Diskriminierung. Sie können ihre Religion nicht frei ausleben. Bilder des Dalai Lama sind verboten. An Schulen wird ausschließlich Chinesisch gelehrt. Eine neue Obersicht von Chinesen diktiert das öffentliche Leben.


1949 begann das chinesische Militär in Tibet einzumarschieren. 1950 wurde das riesige Land vollständig annektiert. China zerstörte fast alle Klöster. Die Altstadt von Lhasa wurde zerstört. An ihre Stelle traten Betonbauten. Hunderte Arbeitslager wurden eingerichtet. China bereichert sich unaufhaltsam. 1959 kam es zu Protesten der Widerstandsbewegung. Daraufhin tötete das chinesische Regime 87.000 Tibeter. Bis heute sind mehr als eine Million Tibeter durch das chinesische Regime ums Leben gekommen. 1965 wird das "Autonome Gebiet Tibet" eingerichtet und von der Volksrepublik China verwaltet. Das Gebiet ist mit 1,2 Millioinen km² nur noch halb so groß als zuvor. Das restliche Gebiet wurde in Stücke geteilt und in die chinesischen Provinzen Sichuan, Gansu, Qinghai und Yunnan eingegliedert.

"Friends of Tibet" hat seinen Hauptsitz in Mumbai. Die Mitglieder arbeiten unentgeltlich für ein freies Tibet. Eines der bekanntesten Mitglieder ist der Aktivist und Autor Tenzin Tsunde. Die Organisation informiert über die aktuelle Lage der Tibeter im okkupierten Tibet und in Indien. Veranstaltungen, wie der "World Tibet Day" am 6. Juli, werden organisiert, Gedichte und Bücher veröffentlicht. In mehreren Städten Indiens findet ein "Tibetan Medical Camp" statt. In mal im Monat können Kranke einen tibetische Arzt aufsuchen und sich umsonst behandeln lassen.

Meiner Erfahrung nach ist die Organisation in Dharamshala weniger bekannt als andere Organisationen, wie zum Beispiel "Student for a free Tibet". Deren Bekanntheit lässt sich unter anderm auch darauf begründen, dass die Studentenorganisationen jedes Wochenende eine Party veranstalten.

"Friends of Tibet" gibt es in Indien, Sri Lanka, England, Pakistan, Nepal und Spanien. Kaum eine andere Hilfsorganisation hat das erklärte Ziel auf ein freies Tibet hinzuarbeiten. Meist geht es um die Verbesserung der Lebensumstände im Exil. Dabei ist die Lebenssituation der Tibeter in Indien längst nicht so schlecht, wie es für die vielen Armen in Indien ist. Die Regierung hat über ganz Indien verteilt tibetische Siedlungen errichten lassen. Diese Siedlungen verfügen meist über Wohnraum, Schulen und Gotteshäuser für 2000 Tibeter. Die Schulen werden vom indischen Staat finanziert. Während indische Schulen Schulgeldpflichtgig sind, können tibetische Kinder umsonst zu Schule gehen. Guglu erzählt mir nicht ohne Neid: "Jedes Kind des Tibetan Children Village in Dharamshala hat 2 oder 3 Sponsoren."

"A crazy organisation which is comitted to the issue."
"Friends of Tibet" aus der Sicht von Sethu: "Die Bewegung "Friends of Tibet" ist eine etwas verrückte Organisation von Menschen die sich wirklich für die Angelegenheit Tibet engagieren."

26. August 2011

Nach der gewöhnlichen Horrorbusfahrt in die Berge, inklusive einer Reifenpanne erreiche ich bei Sonnenaufgang Dharamshala. Ich werde von Guglu Rana abgeholt. Hier in den Bergen bin ich bei der Familie Rana untergebracht. Devinder und Brichbala haben 2 Kinder. Die 25 jährige Brijanka studiert englische Literatur in Shimla und bewirbt sich gerade für ein Masterstudium in Philosophie. Rhaul Rana (22 Jahre) den alle nur Guglu nennen, studiert "Tourism and Travel". Die Familie wohnt auf einem wunderschönen Hof, der auf einem Hügel etwas außerhalb der Stadt gelegen ist.

Der Garten um die Gebäude herum ist liebevoll angelegt. Hier wachsen alle Arten von indischem Gemüse. Gewürze und Kräuter, Hibiskusbäume blühen, Zitronenbäume tragen Früchte. Gänse laufen frei herum, es gibt 2 Kühe und eine Schar von Hühnern. Der Hof besteht aus einem Haupthaus, 2 Nebengebäuden und einem Gästehaus mit 2 Zimmern. Außer mir wohnt hier zu Zeit ein englischer Lehrer aus London. Er hat mehrere Jahre im tibetischen Kinderdorf unterrichtet. Bei einem Chai auf der Veranda genieße ich den Blick auf den Himalaya. Aus dem Badefenster sieht man in ein Tal mit Reisfeldern. Der Monsun ist noch nicht ganz vorbei und so wechseln sich Sonne und Regen ab. Zu essen gibt es bei der Familie Rana was immer gerade im üppigen Gemüsegarten reif ist.

Guglu ist der Sohn der Familie. Sein richtiger Name ist Rahul Rana. Er erzählt mir von der Situation an seiner Universität. Er studiert Bachelor of Tourism and Travel. Allerdings sind entweder die Schüler nicht da oder die Lehrer fehlen. Es gibt Studenten, die einen Bachelor in Computer Science haben, jedoch während der Unizeit nicht einen Computer angeschaltet haben. Wissen wird theoretisch aus veralteten Büchern vermittelt.

Die ganze Familie engagiert sich mit zahlreichen Aktionen für "Friends of Tibet".

27. August 2011

Heute besuche ich Macloud Ganj. Ein kleines Städtchen, das mit allem vollgestopft ist, was man in den Bergen vermuten kann und auch, womit man nicht rechnen würde. Durch die 3 Straßen des Ortes quält sich der Verkehr. Touristen jeden Alters und jeder Nationalität sind hier anzutreffen. Wandertouristen aus Europa, Backpacker und junge indischen Paare aus dem Punjab, die hier ihre Flitterwochen verbringen. Manche Touristen denken, sie kommen nur für ein paar Wochen und bleiben dann für Jahre. Es gibt eine israelische Siedlung. Hier wohnen junge Israelis, die nach dem Militärdienst für ein Jahr kommen und ihr Geld für Partys und Drogen ausgeben. In Macloud Ganj gibt es jede Droge zu kaufen. Die Polizei interessiert sich nicht für die Ausländer. Dann gibt es die Touristen, die sich für Buddhismus und Meditation interessieren. Seine Heiligkeit, der Dalai Lama, gibt immer wieder Unterricht in Buddhismus. Unzählige Yogaschulen bieten ihre Dienste an.

Unter den zahlreichen tibetischen Nonnen und Mönchen sind viele westliche Gesichter zu erkennen. Man kann auf viele Arten hier als Mönch leben. Nicht wenige haben ein I Phone und /oder eine westliche Freundin. Heut zu Tage hat jeder einen Laptop.

Guglu erzählt mir mehr über die Situation der Exil-Tibeter in dieser Gegend. "The thing with the Tibetan is this..." Die junge Generation ist hier geboren. Sie möchte nicht nach Tibet zurückkehren. Das Leben in den indischen Bergen ist angenehmer. Viele Tibeter geniessen hier eine privilegierte Situation gegenüber den ansässigen Indern. Die Gegend lebt unter anderem vom Tourismus. Die Betroffenheit der westlichen Touristen gegenüber den Flüchtlingen wird voll ausgenutzt. Touristen kaufen überwiegend in tibetischen Läden ein und geben dabei reichlich Trinkgeld. Die indische Bevölkerung muss zurückstecken. Die Tibeter, die heute über die Grenze kommen um in Indien zu leben, sprechen chinesisch, sind besser gebildet und deutlich direkter als ihre Altersgenossen, die in Indien geboren wurden.

Im Buchladen Bookworm treffe ich auf den Besitzer Lhasang Tsering. Als Kind war er mit seiner Familie auf Reisen in Indien, während die Chinesen in Tibet einfielen. Es war der Familie nicht mehr möglich, nach Hause zu gehen und sie mussten sich in Indien eine neues Leben aufbauen.

28. August 2011

Nachdem sich die Regierung und das Team Anna gestern in mehreren Punkten einigen konnten, beendet Anna Hazare heute seinen 14-tägigen Hungerstreik. Er mahnt seine Mitstreiter, die Proteste so friedlich zu beenden, wie sie begonnen haben. Die Regierung hat nun geplant, in 2 Monaten ein Lokpal Bill auszuarbeiten und zu verabschieden.

Designanforderungen

Für "Friends of Tibet" soll eine weitere Internetseite entstehen. Die Seite wird zur Aufgabe haben Kinder jedes Alters vorzustellen, die sich für ein freies Tibet einsetzten. Weiter soll die Seite zum eigenen Handeln anregen und Menschen miteinander verbinden, um effektivere Massnahmen für ein freies Tibet zu koordinieren.

Es besteht bereits eine "Friends of Tibet"-Seite, die jedoch sehr textlastig ist. Wie die Seite gestaltet ist, wird sie hauptsächlich von einem Kreis von Leuten aufgerufen, die bereites mit dem Thema Tibet vertraut sind. Die neue Seite wird die Hauptseite ergänzen und speziell für junge Menschen sein.

Ich denke daran emotional starke Fotografien zu verwenden und den Text auf ein Minimum zu reduzieren. Die Informationen sollen kurz und anschaulich sein. Es wird mehr um persönliche Erfahrungen in Bezug auf die Annektierung Tibets gehen als um den geschichtlichen Hintergrund, der in jedem Geschichtsbuch nachgelesen werden kann. Um der Jugendlichkeit der Seite gerecht zu werden, überlege ich mit einer modernen serifenlosen Schrift zu arbeiten. Ein weiteres Gestaltungselement könnten Sprechblasen sein, da auf der Seite Jugendliche zu Wort kommen, die etwas zum Leben der Tibeter zu sagen haben.

Guglus Geschichte

Als ich 14 Jahre alt war, kam mir die Idee, einen kleinen Laden zu eröffnen. Hauptsächlich habe ich Dinge des alltäglichen Gebrauches verkauft, wie Seife und Shampoo. Meine Kunden waren vor allem meine Nachbarn. Eines Tages realisierte ich wie viele Produkte aus China kommen. Da viele meiner Freunde Tibeter sind, entschied ich mich keine chinesischen Produkte mehr zu verkaufen, auch wenn der Profit größer war. Es gibt so viele gute Gründe die chinesische Waren zu boykottieren. Was die Chinesen den Tibetern angetan haben und noch immer antun ist grauenhaft. Ich bin zu einem Museum in Mcload Gunj gefahren, in dem sie darüber berichten. Ein weiterer guter Grund ist, dass die vielen chinesischen Produkte, die eigenen Produkte vom Markt verdrängen und so der indischen Wirtschaft schaden.


Mit "Design and People" entwickelte ich einen Aufkleber, der darüber informiert, dass in diesem Laden keine chinesischen Produkte verkauft werden. Nach und nach schloßen sich mir immer mehr Ladenbesitzer in Dharamshala und Mcload Gunj an.

Kochin

Die südindische Stadt entstand 1341. Eine Überschwemmung des Periyar führte dazu, dass sich die Mündung des Flusses verschob und so ein sicherer Naturhafen entstehen konnte. So entstand eine bedeutende Hafenstadt im heutigen Bundesstaat Kerala. Traditionell wird hier mit Gewürzen gehandelt. Die chinesischen Fischernetze am Hafen zeugen von einer historischen Weltoffenheit und sind heute vor allem Touristenartaktion.

1498 erreichte der Portugiese Vasco da Gama Kerala und somit Indien. 1503 errichteten die Portugiesen in Kochi die erste europäische Festung auf dem Kontinent. Durch den Gewürzhandel war die Stadt von großem Interesse für die Europäer, deren Einfluss man heute noch spüren kann, siehe englische Strassennamen und portugiesische Kirchen. Heute hat die Hafenstadt Kochin hat 600. 000 Einwohner.

Kerala wird seit 2006 von der Communist Party regiert. Sie ist die erste marxistisch- kommunistische Partei, die in einer demokratischen Wahl mehrheitlich gewählt wurde.

Ich habe die Stadt 2007 auf meiner ersten Asienreise bereits besucht.

5. - 8. September 2011

Tibetan Medical Camp

Ein Team von zwei Ärzten und zwei Krankenschwestern kommt einmal im Monat nach Kochi. Bei dem "Tibetan Medical Camp" handelt es sich um eine Aktion von "Friends of Tibet". Vier Tage lang können sich etwa 300 Patienten umsonst behandeln lassen. Meistens wird die Pulsdiagnose angewendet um Krankheiten zu bestimmen. Die behandelten Ärzte sind Dr Dorjee Rapten Neshar (Chief Medical Officer, Bangalore Men-Tsee-Khang) und Dr Lobsang Zoepa aus Dharamshala.

Zu diesem Zweck wird in der katholischen Einrichtung "Ashirbhawan" das unterste Stockwerk des Gästehauses angemietet. Mit einfachen Mitteln werden Behandlungsräume eingerichtet. Plastikstühle im überdachten Rundgang ergeben einen Wartesaal. Jeder Patient bekommt eine Nummer und ein Gesundheitsbuch. Mit der Nummer kann er zukünftige Termine vereinbaren, sie gibt auch Auskunft von welchen der beiden Ärzten er behandelt wird. In dem Gesundheitsbuch wir festgehalten, welche Behandlungen über welchen Zeitraum stattgefunden haben. Etwa 900 Patienten haben seit seinem Bestehen das "Tibetan Medical Camp" in Kochi aufgesucht.

In diesem Jahr feiert das Men Tsee Khang, das tibetische Institut des Dalai Lama für Medizin und Astrologie sein 50-jähriges Bestehen in Dharamshala. Zu diesem Anlass findet ein zweimonatige Wanderausstellung zur Geschichte der tibetischen Medizin statt. Der Schwerpunkt liegt auf der Entstehung des zweiten Medizin und Astrologie Instituts im Exil. Gezeigt werden tibetische Thangkas - Rollbilder. Die auf Stoff gemalten Bilder zeigen Szenen des tantrischen Buddhismus sowie medizinische Zeichnungen. Des weiteren sind alte medizinische Schriften, Fotografien aus dem besetzten Tibet und Texte und Bilder zur Geschichte des Men Tsee Khang im Exil zu sehen. Während meines Besuches war ein Astrologe aus Dharamshala angereist, um den Besuchern mit seinem Wissen zu Verfügung zu stehen.

Zur Eröffnung der Ausstellung in Kochi waren wichtige Persönlichkeiten der Stadt geladen. Gesprochen haben Krishna Iyer, ein ehemaliger Justizminister und Richter der sich für ein stärkeres Sozialwesen in Kerala einsetzte, Madhavachandran (R&D, Nagarjuna Ayurvedic), Yesudasan, ein Cartoonist, Rev Msgr Fr Joseph Thannikkottu, der Direktor des "Ashirbhawans".

Wie hilft jedoch eine medizinische Einrichtung, wie das "Tibetan Medical Camp" der Befreiung Tibets? Durch die tibetischen Medizin werden mehr Menschen erreicht, als durch Worte. Die tibetische Medizin hat Antworten auf viele moderne Krankheiten. Auf diese Art kann mehr Aufmerksamkeit auf die Annektierung Tibets gerichtet werden. Außerdem wird so die tibetische Medizin weiter praktiziert und vor dem Vergessen bewahrt. Nebenbei teilen die Mitarbeiter Informationsblätter an die Patienten aus oder stehen für Gespräche bereit. Es kommen auch Angehörige kommunistischer Regierungsmitglieder, die sonst nicht zu einer öffentlichen Veranstaltung von "Friends of Tibet" kommen würden. Das "Tibetan Medical Camp" bietet so die Möglichkeit viele Menschen auf eine unpolitische Art für das Thema Tibet zu interessiern.

Das erste "Tibetan Medical Camp", dass von "Friends of Tibet" organisiert wurde, fand in Bumbai statt. Damals war der Leibarzt des Dalai Lama gekommen. Heute gibt es zwei tibetische Krankenhäuser in Indien, die von "Friends of Tibet" initiiert wurden und sich heute selbst verwalten.

Ich unterhalte mich mit Appon Jacob John, einem Englischlehrerund Aktivist für "Friends of Tibet". Für die Organisation arbeitet er seit sieben Jahren als Journalist, Übersetzter und Fotograf. Außerdem sammelt er Informationen zu Tibet und macht sie für andere zugänglich. Auf meine Frage, woher sein Interesse für Tibet kommt, antwortet er: "In der Schule musste ich einen Aufsatz über Kolonialisierung schreiben. Da googlete ich das Thema, um zu sehen ob es heute noch Kolonialismus gibt. So bin ich auf Tibet gestoßen." Heute schreibt er seine Masterarbeit zu diesem Thema. Seine Motivation kommt von der empfundenen Ungerechtigkeit und von seiner Hoffnung für ein freies Tibet.

9. September 2011

Heute wird in Kerala der Feiertag Onam gefeiert. Das Fest dauert insgesamt zehn Tage. In der Zeit finden Schlangenbootwettrennen statt, Teppiche aus Blumen werden ausgelegt und traditionelles vegetarisches Essen wird gekocht. Frauen tragen traditionelle cremefarbene Saris und Männer einfache Dhotis. Das Fest wird von allen Religionen gefeiert, da es auf einen früheren König namens Mahabali zurückgeht. Es ist ein Art Erntedankfest.

Gestern Abend wurde ich von der Familie Thottiyil eingeladen mit ihnen Onam zu feiern. Die Familie wohnt in einem schönen Haus etwas außerhalb der Stadt. Wie überall in Kerala wachsen um das Haus zahlreiche Kokospalmen. Yeldtho, der Vater, ist Ingenieur bei einer staatlichen Gasfirma. In seiner Freizeit engagiert er sich für "Design and People" und "Friends of Tibet". Hauptsächlich organisiert er das "Tibetan Medical Camp" in Kochi und unterstützt Jose, den Riverkeeper. Yeldthos Frau ist eine Krankenschwester in dem Krankenhaus der Mother Amma. Amma ist eine geistliche Führerin, die ein großes Ashram und verschiedene soziale Projekte im Bereich Gesundheit, Bildung und Frauenrecht leitet. Aufgrund des Feiertages waren viele Verwandte gekommen. Die Familie gehört der Glaubensgemeinschaft der syrischen Christen an. Nachdem sie ausführlich gesungen und gebetet haben, gab es ein leckeres und bestimmt sehr aufwendig zubereitetes Essen. Manche Gemüsearten habe ich das erste Mal in meinem Leben probiert. Nach dem Essen haben sie mir über das Leben in Kerala berichtet und ich habe ihnen von Deutschland erzählt.

Heute ging es weiter zu Sethu Das dem Gründer von "Design and People".

Periyar Riverkeeper

Der Periyar ist der größte und wichtigste Fluss im Bundesstaat Kerala. Das Wasser der einstigen Lebenserdar ist heute ungenießbar. Menschen, die an den Ufer leben, leiden an Krankheiten wie Asthma, allergische Hautkrankheiten oder Krebs, verursacht durch die massive Verschmutzung des Flusses durch Chemikalien. Giftige Abfälle werden von den Chemiefabriken sorglos ins Wasser gekippt. Hierbei handelt es sich um Schwermetalle und Giftgas.

Auf der Insel Eloor gibt es insgesamt 247 Fabriken internationaler und indischer Herkunft. Greenpeace hat das Gebiet auf seine Liste der am meisten vergifteten Orte der Welt aufgenommen. Die Leittragen sind die Bewohner. Es kommt zu 2 1/2 mal mehr Missbildungen unter den Kinder in Eloor. Magengeschwüre sind 6 mal häufiger als in andern indischen Regionen. Gleichzeitig sind die Bewohner überwiegend bei den Fabriken angestellt und trauen sich daher kaum über die Situation zu berichten. next Der Fluss ist 4 Grad wärmer als die Lufttemperatur. Die Fische sind verseucht. Die Bauern bewässern ihre Reisfelder mit dem kontaminierten Wasser. Manchmal ist der Fluss rotbraun eine anderes mal in grün oder blau.

Im 2000km nördlicher gelegenen Bohpal kam es im Jahr 1984 zu einer Giftgaskatastrophe in einem Werk des US-Chemiekonzerns Union Carbide Corporation. Bis zu 25.000 Menschen starben durch direkten Kontakt mit der Gaswolke. Bis heute stieg die Zahl der Geschädigten auf 500.000. In Eloor herrscht die Angst, dass sich eine ähnliche Katastrophe ereignen könnte. Das Dorf mit 20000 Einwohnern, befindet sich auf einer Insel im Fluss. Die Insel wird lediglich durch einer Brücke mit dem Festland verbunden. Zudem befindet sich die Brücke direkt in dem Gebiet, in dem die Fabriken angesiedelt sind. Kommt es zu einer Katastrophe, bleibt den Bewohner nur sich in den Fluss zu stürzen. Die meisten Inder können nicht schwimmen.


Die Organisation wird von Jose geleitet. Er ist als der "Riverkeeper" (zu Deutsch: Flusswächter) bekannt. Seit 30 Jahre setzt er sich unermüdlich für den Schutz des Flusses einsetzt. Er nimmt Wasserproben und eine schreibt Berichte. Jose spricht vor Schulklassen und an Universitäten über die Verschmutzung. Er klärt darüber auf, dass die meisten der ansässigen Chemiefabriken ihren Industrieabfall ungeklärt in den Fluss ableiten. Er organisiert öffentliche Aktionen und versucht auf politischer Ebene etwas zu erreichen. Jose ist mehrere Male vor Gericht gegangen. Aber man kann nicht viel erreichen. Eines der hochgiftigen Chemikalien wurde verboten. Aber es ist niemand da der das Verbot kontrolliert.

Das größte Problem im Kampf gegen die Umweltverschmutzung ist die Regierung von Kerala. Viele der Firmen sind in Regierungshand. Anfang des letzten Jahrzehnts übte der Riverkeeper zusammen mit Greenpeace so viel Druck auf die Regierung aus, dass es zu einer umfangreichen Sicherheitsüberprüfung kam. Das Ergebnis: 150 Fabriken entsprechen nicht den Sicherheitsstandards. Da sie in Regierungshand sind, kam es nicht zur Schließung. Die Fabriken leiten nach wie vor ihre Chemikalien durch unterirdischen Pipelines in den Fluss. Die Organisation kämpft nicht für das Verschwinden der Fabriken. Ein umdenken ist gefragt. Es muss zu saubern Produktionsweisen kommen.

Auf der von mir gestalteten Seite der Organisation finden Sie ausführlichen Informationen:
www.periyarriverkeeper.org

11. September 2011

Den heutigen Tag verbrachte ich mit Jose, dem Flusswächter, so konnte ich mir ein Bild von der Lage vor Ort machen. Ich habe gesehen, wie die Organisation arbeitet; wir haben uns mit Einwohnern von Eloor über die Situation unterhalten und ich konnte mir einige der Fabriken aus der Nähe anschauen. Für Periyar Riverkeeper entwarf ich eine Internetseite und programmierte sie bereits. Vor Ort habe ich mit der Organisation nun die letzten Änderungen besprochen. Inzwischen ist die Seite online. Einige der Fotos, die ich bei meinem Besuch in Eloor machen konnte, haben auf der Internetseite Verwendung gefunden.

www.periyarriverkeeper.org

Vortrag

Frankfurt, Donnerstag, den 22. September um 19 Uhr

Im Rahmen einer Vortragsreihe hat mich der Förderverein basis in Frankfurt eingeladen zu diesem Thema zu sprechen. Der Vortrag findet am 22. September um 19 Uhr statt. Weiter Informationen finden Sie auf der Internetseite des Vereins: basis-frankfurt.de